»Der Atlantik ist ein verbindendes Gewässer – ›Atlantik‹ ein Kulturen verbindender Verlag«
So beschrieb das Bremer Literaturkontor 1996 die in Bremen ansässige »Atlantik Verlags- und Mediengesellschaft« und brachte damit auf den kurzen Nenner, dass sich dieses im selben Jahr gegründete Verlagsprojekt vorrangig mit den wechselseitigen Einflüssen der kulturellen, politischen und literarischen Vielfalt der atlantischen Kontinente beschäftigen wollte. Die Gründer Reinhard Seekamp und Jürgen Heiser nannten als Vision und Basis ihres Programms »das Eintreten für die ›Freiheit des Wortes‹, also auch die Entdeckung und Veröffentlichung des Unbekannten, Fremden und Unbequemen«.
Zur Verlagsphilosophie führten die beiden Verleger weiter aus:
»Als Verlag in der Hansestadt Bremen, die einst über den größten Auswandererhafen in die Neue Welt verfügte, beziehen wir uns bewusst auf die transatlantischen Verbindungen, die von hier ihren Ausgang nahmen.
Unsere Veröffentlichungen vermitteln in Worten, Bildern und Liedern beide Seiten einer historischen und aktuellen Realität – die der Folgen des von Europa ausgehenden Siedlertums und Kolonialismus und die der Vielfalt und Schönheit von Menschen verschiedenster Herkunft und Denkrichtungen.
Wir dokumentieren und setzen Akzente. Unsere Veröffentlichungen zeigen dort ihre Wirkung, wo es gelingt, Diskussionen und politisches Handeln vieler Menschen auszulösen – wie zum Beispiel mit Mumia Abu-Jamals Essays gegen die Todesstrafe.
In der ins Deutsche übertragenen Belletristik setzen wir auf die Wiederveröffentlichung ›vergessener‹ Literaturen ebenso wie auf Neuentdeckungen aus dem Gegenwartsschaffen.
Unsere Aufmerksamkeit gilt nicht zuletzt der Entdeckung und Pflege neuer, junger und unbekannter Stimmen aus dem deutschsprachigen Raum, denen wir unabhängig vom schnelllebigen Literaturbetrieb der Konzerne Gehör verschaffen wollen.
Daran arbeiten wir als selbstorganisierter Kleinbetrieb in der Elsflether Straße im umgebauten Gebäude der ehemaligen Handelsmarineschule in Bremen-Walle, einem Projekte-Haus, in dem u.a. auch die Stadtteilschule, das Frauengesundheitszentrum, das Frauenprojekt Quirl, ein Kinderhaus und eine Stadtteilkantine angesiedelt sind.«
Der Bremer »Atlantik Verlag«, wie er kurz und bündig genannt wurde, war bis zu seiner Schließung im Jahr 2007 Mitglied in der Mitte der 1990er Jahre gegründeten »assoziation Linker Verlage« (aLiVe) und hob zusammen mit dem Stuttgarter Schmetterling-Verlag, dem Münsteraner Unrast-Verlag und dem Aschaffenburger Alibri-Verlag die bis heute in Stuttgart ansässige aLiVe-Verlagsauslieferung aus der Taufe, die nach wie vor den Buchhandel in Deutschland und Österreich beliefert und in der Schweiz mit der Auslieferung Herder AG Basel kooperiert.
Das Motto der aLiVe-Verlage lautete: »Die Kleinen schließen sich entweder zusammen oder werden von den Großen gefressen.« Trotz des richtigen Versuchs, sich unter den gegebenen Gesellschafts- und Wirtschaftsverhältnissen kollektiv gegen einen von Medienkonzernen bestimmten Buchmarkt zu stemmen, geriet der Bremer Kleinverlag jedoch im zehnten Jahr seines Bestehens an seine Grenzen. Der Widerspruch zwischen einem mit äußerst bescheidenem Budget produzierten engagierten Verlagsprogramm einerseits und dem enger werdenden Buchmarkt mit immer weniger mutigen und ebenso engagierten Buchhandlungen und einem zunehmend kaufschwachen Publikum andererseits führte zur letzten Entscheidung: Die »Atlantik Verlags- und Mediengesellschaft« schloss ihre Pforten.
Anfang Oktober 2007 schrieb der Bremer Weserkurier in einem Artikel über Bremer Verlage und ihr Verhältnis zur Frankfurter Buchmesse: »Seit seiner Gründung 1996 war der Atlantik Verlag auf der Buchmesse präsent. Diesen Oktober ist er das zum ersten Mal nicht mehr – aus einem traurigen Grund: ›Wir mussten aus ökonomischen Gründen unsere Geschäftstätigkeit einstellen‹, sagt Jürgen Heiser, der das Unternehmen bis zum Schluss geleitet hat. ›Unsere Titel werden nach wie vor verkauft, aber wir können keine neuen Bücher mehr produzieren.‹«
Am 14. Oktober 2007 lautete der letzte Satz vom Schreibtisch des Geschäftsführers, geschrieben »in der Überzeugung, lesenswerte Literatur gemeinsam produziert zu haben«: »Abschließend möchte ich allen FreudInnen und KollegInnen des Atlantik Verlages für die lange Treue und Begleitung danken. Die guten gemeinsamen Erfahrungen werden bleiben.«